Deutsche Sturzkampfbomber 1935 bis 1945
Vorgeschichte:
Bereits im ersten Weltkrieg hat sich das Flugzeug als wichtiges Kampfmittel erwiesen. Unentbehrlich waren sie vor allem im Bereich Luftaufklärung. Auch das große Potential als Erdkampfflugzeug wurde deutlich.
In den zwanziger Jahren wurden, vor allem in den USA, spezielle Erdkampfflugzeuge entwickelt. Dabei erwies sich das Prinzip eines Bombenabwurfes am Ende eines Sturzflugs als besonders Erfolg versprechend. Die dabei auftretenden Probleme mit den Fliehkräften besonders beim Abfangen machten spezielle Systeme nötig. Der Durchbruch erfolgte mit Entwicklung der Sturzflugbremsen, die den Anstieg der Sturzgeschwindigkeit so weit begrenzten, dass die zum Abfangen nötigen Kräfte so weit minimiert wurden, dass die Flugzeuge nicht mehr zerbrachen.
Sturzflugbremsen Ju 87
Sturzflugbremsen Ju 88
Vorreiternationen in der Entwicklung waren vor allem die USA . So überrascht es nicht, dass bereits Anfang der dreißiger Jahre gut funktionierende Sturzkampfbomber zur Verfügung standen.
Deutschland war nach dem Versailler Vertrag Forschung und Entwicklung im Bereich Kampfflugzeuge verboten. Vor allem in Zusammenarbeit mit schwedischen Firmen konnten die Firmen Junkers und Heinkel Ende der zwanziger Jahre Erfahrungen mit Stukas machen. Die Erprobung dieser Maschinen erfolgte zumeist in der Sowjetunion auf dem Flughafen Lipezk. Die Maschinen hatten nur eine geringe Bombenzuladung und waren noch bespannt.
1933 unternahm der Weltkriegsveteran Ernst Udet eine USA-Reise, um sich über Entwicklungen im Militärflugzeugbau zu informieren. Dabei erwarb er zwei US-Stukas vom Typ Curtis SB 2 "Hawk". Diese Maschinen wurden in Deutschland untersucht. Aus dieser Untersuchung entstand die Forderung des Reichsverkehrsministerium, welches die geheime Aufrüstung der Luftwaffe koordinierte, Ganzmetallstukas zu entwickeln. Ergebnis waren die Baumuster Fieseler Fi 98 und Henschel Hs 123.
Bei Junkers begann damals bereits die Entwicklung eines Eindeckers Junkers Ju 87.
Die Flugzeuge:
K 47/A 48:
Junkers hatte aus dem zweisitzigen Jäger K 47 einen Eindecker entwickelt, der in der Lage war, 2X50 kg Bomben im Sturzflug abzuwerfen. Die Maschinen wurden zumeist als Erprobungsflugzeuge für weitere Erprobungen verwandt. Noch im Krieg wurde dieses Baumuster als Übungs- und Nachtschlachtflugzeug genutzt. Die A 48 war ein reines Schulungsflugzeug. Insgesamt wurden 32 Maschinen beider Baumuster gebaut. Vier wurden in die UdSSR, sechs an China verkauft.
He 50:
Die Heinkel He 50 war ursprünglich als zweisitziger Doppeldecker mit zwei Schwimmern konstruiert. Japan hat mindestens eine davon erworben. Daraus entstand die japanische Aichi AB 9. In Zusammenarbeit mit dem Reichsverkehrsministerium entstand eine Version mit unverkleidetem Fahrwerk. Diese Maschine diente ebenfalls als Schulungs- und Erprobungsflugzeug und wurde im Krieg auch als Schlacht- und Nachtschlachtflieger verwendet. Sie war auch die Grundlage für den ersten Jäger der Luftwaffe, die He 51.
Hs 123:
Der einsitzige Doppeldecker Hs 123 war sowohl als Schlachtflugzeug, als auch als Stuka einsetzbar. Sie konnte bereits 4X50 kg Bombenlast tragen. Es wurden insgesamt 244 Maschinen gebaut und zunächst in Stuka-Geschwadern, nach Zulauf der Ju87 nur noch in Schlachtgeschwadern eingesetzt. Der Bau wurde 1938, aus heutiger Sicht viel zu früh, eingestellt. Nach Meinung vieler Experten hätte der massive Einsatz dieser Maschinen den Russlandfeldzug günstig beeinflussen können, da gerade zu Beginn des Feldzuges ein deutlicher Mangel an Schlachtflugzeugen spürbar war und die Ju 87 noch nicht für diese Art Einsatz ausgerüstet war (Panzerung, Schnellfeuerwaffen, Visier usw.).
Ju 87 (der "Stuka"):
Mit der Untersuchung der Curtis "Hawks" begann bei Junkers die Entwicklung eines Ganzmetalleindeckers, der die Aufgabe hat, Bomben im Sturzflug zielgenau abzuwerfen. Dies sollte seine einzige Aufgabe sein. Auf Grund dieser Entwicklungsarbeiten hat das Reichsluftfahrtministerium 1935 eine Ausschreibung für ein solches Flugzeug, stark angelehnt an die Junkers-Entwicklung, herausgegeben.
Ju87 V-1
Der daraus resultierende Zeitnachteil für Konkurrenzfirmen führte zu einem (trotzdem nicht einmal eindeutigen) Sieg für die Ju 87.
Vor allem der Konkurrenzentwurf Heinkel He 118 beeindruckte durch ein modernes Design und ein einziehbares Fahrwerk. Dadurch war diese Maschine schneller und manövrierfähiger als alle anderen. Da die Entscheidung für die Ju 87 intern bereits vorher feststand, waren alle anderen Entwürfe von vornherein chancenlos.
Ju 87 A:
Anfang 1937 wurden die ersten "Stukas" ausgeliefert. Die Maschine besaß nach oben abgeknickte Flügel, ein automatisches Abfangsystem und eine Ablenkgabel, um die Bombenlast unter dem Rumpf unter dem Kreis der Luftschraube hindurch zu werfen. Sie konnte 1X250 kg Bomben unter dem Rumpf oder 4X50 kg Bomben an den Flügeln tragen und hatte ein MG 15 für den rückwärts sitzenden Beobachter und ein MG 17 im rechten Flügelknick. Ohne Beobachter/Funker konnte bei kurzer Reichweite auch eine 500 kg Bombe mitgeführt werden.
einige Bombentypen:
(von links nach rechts) SC50, SC250, PC 500, SC 500, SC1000, SC1800 "Satan"
SC = Sprengbomben für den Standardeinsatz
PC = Bomben für "harte" Ziele (Betonbunker, gepanzerte Schiffe, ...)
Trotz aerodynamisch verkleidetem Fahrwerk (nicht einziehbar!) war die Maschine mit 320 km/h relativ langsam und hatte mit 990 km eine geringe Reichweite. Außerdem war sie ungepanzert. Es wurden 262 Ju 87 A-1 und A-2, 11 A-0 und fünf Versuchsmuster gebaut.
Der Einsatz dieser Maschinen 1937/38 bei der KG 88 (Legion Condor) in Spanien zeigte die Einsatzmöglichkeiten, aber auch die genannten Schwächen. Daraufhin wurde die Version B entwickelt.
Ju87 B:
Die Änderungen zur A-Serie lagen vor allem im Bereich der Avionik und in der Verwendung eines stärkeren Motors. Dies führte zu einer auf 350km/h leicht erhöhten Geschwindigkeit, aber auch zu einer Verringerung der Reichweite auf 800 km. Die Version B-2 konnte mit einer 1000 kg Bombe ausgerüstet werden.
Während dieses Baumuster im Polen - und Frankreichfeldzug mit legendärem Erfolg eingesetzt wurde, zeigte die Luftschlacht um England, dass Sturzkampfbomber im Luftkampf absolut chancenlos sind. Auch die geringe Reichweite verringerte die Wirksamkeit der Luftwaffe entscheidend.
Dies führte schnell zur Einführung von 300l Zusatztanks, die unter die Flügel gehängt wurden.
Diese Version der Ju 87 B-1 erhielt die Bezeichnung R-1 und die Reichweite stieg auf 1250 km, die Version B-2 ( geänderte Bombenaufhängung an den Flügeln) hieß R-2.
Die Feldzüge auf dem Balkan und in Nordafrika machten im Frühjahr die Schaffung einer "tropentauglichen" Version, mit geänderten Luftfiltern und Überlebensausrüstung für die Wüste, nötig. Sie führten zur Version R-4 auf Basis B-2.
Ju 87 C:
Die Version C war gedacht für den Flugzeugträger "Graf Zeppelin". Sie besaß beiklappbare Flügel, ein abwerfbares Fahrgestell, Fangsporn und war katapultfähig. Darüber hinaus war sie 3 Tage schwimmfähig. Sie wurde aus der Version B-2 entwickelt.
Ju 87 D:
Die Erfahrungen des Polen- und Frankreichfeldzuges führten zur Forderung des RLM, die Ju 87 grundsätzlich zu überarbeiten. Vor allem ein stärkerer Motor, stärkere Angriffs- und Abwehrbewaffnung und eine Panzerung der Kabine wurden gefordert. Die ersten Maschinen der Version D-1 gingen direkt an die Ostfront. Sie besaß ein MG 81Z (Zwilling) als Abwehrbewaffnung und zwei MG 17 in den Flügelknicks. Ihre maximale Bombenlast stieg auf 1800 kg. Größere Tanks erhöhten die Reichweite auf 1170 km, die Geschwindigkeit blieb mit 354km/h gering.
Die D-2 war als Schleppflugzeug für Lastensegler ausgelegt.
Die D-3 erhielt eine erhöhte Grundpanzerung und zwei MG151 20mm in den Flügelwurzeln.
Für die Unterflügelstationen gab es bis 1944 verschiedene Rüstsätze. Neben 50 kg Bomben konnten z.B. Zusatztanks, Schüttbombenbehälter (heute bekannt als CBU, die netten kleinen gelben hochexplosiven Bömbchen aus Afganistan, Kosovo und überall sonst, wo die USA Bomben schmeißen. Übrigens ist deren Anwendung heute eigentlich verboten) und Behälter mit MG und MK.
Die Version D-4 war als Torpedoflugzeug gedacht und konnte mit Lufttorpedos LT 750 (kg) und LT905 (kg) ausgerüstet werden, aber auch eine normale Bombenlast tragen.
Die Version D-5 wurde nach den Erfahrungen in Russland bereits mehr als Schlacht- denn als Sturzkampfflugzeug ausgelegt. Dazu erhielt sie veränderte Tragflächen, welche die Gleiteigenschaften verbesserten. Weitere Rüstsätze vor allem zur Verwendung als Schlachtflieger wurden entwickelt.
Die Version D-5 war die Endversion der Ju 87. Die Lage im Luftkrieg führte im August 1944 zur Einstellung des Baus zugunsten einer Steigerung der Kapazität im Jägerbau.
Die Version D-7 war ein Umbau der Version D-1 ohne Sturzflugbremse aber mit den veränderten Tragflächen und Flammenvernichter zum Einsatz als Nachtschlachtflugzeug.
Die Version D-8 war der entsprechende Umbau der D-3-Version
Insgesamt wurden etwa 5800 Ju 87 D-1 bis D-5 gebaut.
Ju 87 G:
Die Ju 87 G war die wohl berühmteste Schlachtfliegerversion. Entwickelt aus den Anforderungen der Ostfront erhielt sie im Sommer 1943 neben dem MG 81 Z zur Verteidigung zwei umgebaute (verkürzter Lauf, veränderter Abzugmechanismus, kürzerer Rücklauf) 3,7cm Flak 18, genannt BK 37 mit jeweils 12 Schuss. Dafür konnte sie keine Bombenzuladung mehr tragen . Diese Waffe war in der Lage, bis zu 120 mm Stahl im Winkel von 60° auf 100m zu durchschlagen. Damit konnte sie in ihrem Einsatzgebiet Russland spektakuläre Erfolge als fliegende Panzerjäger erreichen. Dafür hatte sie keine Sturzflugeinrichtungen mehr.
Ihre größten Nachteile waren die geringe Wendigkeit und die für den Erdeinsatz zu geringe Panzerung.
Die Version G-1 war ein Umbau der D-3.
Die Version G-2 war ein Umbau der D-5.
Ju 87 H:
Wie für jedes Kampfflugzeug benötigte die Ausbildung der Piloten eine Trainerversion.
Die Ausbildung für die A- und B-Versionen konnten vor dem Krieg noch auf Orginalmaschinen erfolgen. Für die D-Versionen gab es Trainer der H-Version. Sie waren Unbewaffnet und dienten vor allem der allgemeinen Flugschulung der zukünftigen Piloten. Sie besaßen Doppelsteuerung und waren blindflugtauglich. H-Versionen gab es analog zu den Baumustern D-1, D-3, D-7und D-8 und waren Umbauten dieser Maschinen.
Ju 87 K:
Die K-Version war die Bezeichnung für Maschinen, die an Verbündete exportiert wurden.
Die K-1 war die Version A für Japan.
Die K-2 war die Version B-2 für Ungarn.
Die K-4 war die Version A für Ungarn
Cockpit der Ju 87
Fazit:
Die Ju 87 war in ihrer Aufgabe als Sturzkampfbomber sehr gut geeignet, solange die eigene Lufthoheit gegeben war. Die Luftschlacht um England zeigte diesem Baumuster äußerst deutlich seine Grenzen auf. 1942 zeigte sich in Russland, dass die Stukas zwar wirksam sind, aber nicht ausreichend genau im Angriff auf bewegliche Ziele. Hier stellte man schnell fest, dass die Konzentration auf einen Stuka zur Nahunterstützung statt der zusätzlichen Entwicklung eines Schlachtflugzeugmusters ein Fehler war. Ende 1943 war die Ju 87 veraltet und ein Einsatz als Stuka auf Dauer fraglich. Als Schlachtflieger war die Maschine nicht entwickelt worden und zeigte in diesem Einsatzbereich Schwächen. Nur wegen der hervorragenden Piloten waren sie in der Lage, Wirkung zu erzielen. Die verstärkte russische Luftabwehr führte oft zu Abschüssen und die nachrückenden Piloten hatten zu wenig Erfahrung, um diese Lücken zu schließen. Im Schlachteinsatz haben die spezialisierten Baumuster der FW 190 ab 1944 die Ju 87 abgelöst.